365 Tage in der Selbstständigkeit

…wie lief es im ersten Jahr? Bereue ich es, einen sicheren Job aufgegeben zu haben? Ist die Selbstständigkeit wirklich das Richtige für mich und kann ich davon überhaupt leben?


Genau vor einem Jahr fing das ganze Abenteuer an. Mein sicheres Arbeitsverhältnis endete und ich war bereit, in die einhundertprozentige Selbstständigkeit zu starten. Heute sitze ich hier, in meinem geliebten Arbeitszimmer, und denke über die letzten 365 Tage nach.

Foto: Sebastian. <3
Düsenantrieb feat. Angst – wie kann das gehen?

Wenn ich an die erste Zeit zurückdenke, erinnere ich mich vor allem an eins: Große Euphorie, die ab und zu durch immer mal wieder auftretende Angst gebremst wurde. Und im Nachhinein bin ich froh, dass ich diese leichte Skepsis hatte. Denn man muss sich vor Augen führen, dass man von heute auf morgen für sich selbst verantwortlich ist. Einem SEPA-Lastschriftverfahren interessiert es nicht, wie dein aktuelles Einkommen ist. Da wird fleißig abgebucht, bis der Staat und alle Versicherungen satt sind. Die eben genannte Angst möchte ich allerdings in Respekt umformulieren – denn ich hatte beim genaueren Betrachten mehr Respekt als Angst. Und das lege ich auch jedem ans Herz, wenn er sich selbstständig machen möchte. Dieser Respekt hat mich in keine falsche Richtung rennen lassen und hat mich in vielen Situationen auch irgendwie beruhigt.

Die Vorteile der Erfahrungswerte

Zusätzlich war ich einem besonders dankbar: meinen Erfahrungswerten. Denn meine Selbstständigkeit begann nicht von null an. Ich hatte bereits sieben Jahre lang ein Kleingewerbe und ich habe sieben Jahre lang an mir und der Fotografie gearbeitet. Ich hatte den ersten Kundenstamm, ich hatte meinen Namen verbreitet und konnte am 01.03.2018 einen sanften und direkten Übergang zur ganzheitlichen Selbstständigkeit eingehen.

Wenn man sich eins eingestehen muss, dann, dass es Fotografen wie Sand am Meer gibt. Es ist heutzutage nichts Besonderes mehr, als Fotograf zu arbeiten. Unzählige Menschen kaufen sich eine DSLR und nennen sich Fotograf. Aber dabei gehört zu dieser Berufsbezeichnung meiner Meinung nach so viel mehr. Die Kamera an sich ist nur Mittel zum Zweck. In erster Linie braucht man neben der als selbstverständlich anzunehmenden Kreativität und dem gewissen Blick vor allem Empathie, Ausdauer, lösungsorientiertes Denken, Spontanität und eine Menge Menschenkenntnisse.

Man ist Dienstleister – man erbringt Dienste und man steht niemals im Vordergrund. Nicht ohne Grund ist der Arbeitsplatz hinter der Kamera. Das alles war mir immer bewusst und ich wusste auch, dass ich in der Selbstständigkeit noch eins brauche: Geduld auf allen Ebenen. Mal eben schnell zum Erfolg? Unmöglich. Ich brauchte meine sieben Jahre “Berufserfahrung”, um heute selbstsicher meinen Job ausüben zu können. Denn man tritt immer wieder mit fremden Menschen in Kontakt, die am Ende des Jobs im besten Fall aufgrund der Arbeit zu guten Bekannten geworden sind.

Neue Kontakte, neue Kunden – love it!

Betrachte ich das letzte Jahr, sind so viele neue Kontakte zustande gekommen, auf die ich wirklich stolz bin. Dazu gehört die TUI Deutschland GmbH, die Polizei Hamburg, die REWE Markt GmbH, Volkswagen Immobilien, der Carlsen Verlag oder auch der Landkreis Goslar. Dass ich jemals für diese Unternehmen fotografieren werden würde, habe ich mir vielleicht erträumt – aber ich habe nicht wirklich daran geglaubt. Und eins freut mich an diesen Referenzen besonders: ich war keine Eintagsfliege. Ich stehe mit all meinen Kunden im langfristigen Kontakt und das ist wirklich so viel Wert!

Hierbei erwähne ich auch direkt zwei Highlights aus meinem ersten Jahr: Das Kampagnenshooting für die Polizei Hamburg und drei Reisen, zusammen mit TUI, bei denen es nach Portugal, Kreta und New York ging. Jobs, für die ich unendlich dankbar bin und an denen ich auch immer wieder wachsen konnte. Denn auch das ist meiner Meinung nach für eine erfolgreiche Selbstständigkeit essenziell: man muss stetig an sich arbeiten, sich selbst reflektieren, sich neuen Dingen anvertrauen und man sollte niemals pessimistisch denken. Und dabei kommen wir auch gleich zum nächsten Punkt.

Kopf hoch und das am besten ständig!

Ich liebe den Optimismus! Und ich gebe auch direkt zu, dass es mir manchmal schwer fällt, ihn zu leben. Als extrem selbstkritischer Mensch mache ich mir tausend Gedanken, wenn ich einen Job abgegeben habe und auf Rückmeldung warte. Hierbei stehe ich mir gern selbst im Weg und das nervt. An dieser Eigenschaft muss ich im zweiten Jahr noch sehr viel arbeiten. Zeitgleich denke ich jedoch, dass man kritische Selbstreflexion nicht zu 100% ablegen sollte. Denn keiner mag selbstverliebte Egoisten, die sich ihrer Sache sehr sicher sind. 😉

Sich selbst reflektieren – kann manchmal hart sein, aber bringt so viel!

Ich möchte mit diesem Abschnitt aber vor allem auf kleine Niederlagen eingehen, die vollkommen normal im Leben und in der Selbstständigkeit sind. Dazu gehört die ein oder andere Absage eines Jobs oder auch mal der falsche Job. Unbedachte Kosten, die plötzlich auf einen zukommen oder auch das Eingestehen, dass man vielleicht zu viel “ja” gesagt hat und seinen vollen Kalender unterschätzt hat.

Das waren alles Dinge, die ich im ersten Jahr erlebt habe und es hat mir kein bisschen geschadet. Ich bin eher daran gewachsen, indem ich beispielsweise gelernt habe, dass nicht alle Anfragen/Jobs meine Kunden sein müssen. Glücklicherweise kam das sehr selten vor, aber man muss damit rechnen, dass es vorkommen kann. Genauso wie hohe Rechnungen (besonders zu Jahresbeginn), durch die man einen Zeitraum lang anders haushalten muss. Aber auch das kann man vorab einkalkulieren und durch einen angesparten Puffer ausgleichen. Anstatt sich über diese kleinen Dinge aufzuregen und kleinzumachen, gehe ich sie lieber an und versuche daraus zu lernen. Man darf sich in der Selbstständigkeit einfach nie unter kriegen lassen. Das bremst und demotiviert.

Ist denn jetzt alles so gelaufen, wie ich es wollte?

Tja, wie wollte ich es denn? Wenn ich eins wollte, dann war es glücklich und zufrieden zu sein. Ich wollte von meinem neuen Job leben können und Erfahrungen machen. Mehr wollte ich im ersten Jahr gar nicht – ich denke die genannten Ziele sind schon groß genug.

Heute kann ich sagen, dass diese Vorstellungen definitiv erfüllt wurden. Dank einer Menge Geduld, Eigeninitiative, Mut, Empathie und natürlich dank der Liebe zur Fotografie. Ich kann aktuell von meiner Arbeit als Fotografin leben und auch in Bezug auf die Zukunft etwas vorsorgen (dazu gleich mehr). Ich bin 26 Jahre alt und habe bis dato das erreicht, was ich mir für mein Leben wünsche. Gibt es etwas Schöneres? Das Leben ist mir einfach zu kurz, um unzufrieden Dinge zu tun, die mich nicht zu 100% erfüllen. Dann nehme ich lieber etwas Risiko in die Hand und mache das, was mich abends mit einem Lächeln einschlafen lässt.

Ja, das da war wirklich Arbeit! // Foto: U. Donat
Selbstständigkeit & Zukunft – harmoniert das eigentlich?

Diese ominöse Zukunft…wenn unsere Generation an die Rente denkt, kann uns eigentlich nur schlecht werden. Grund genug, sich rechtzeitig um die eigene Zukunft Gedanken zu machen. So gut wie es uns jetzt gerade geht (finanziell und gesundheitlich), geht es uns ja nicht immer. Und das ist auch ein Aspekt, der mir ehrlich gesagt hier und da mal Kopfschmerzen bereitet. Aktuell möchte ich selbständig bleiben und das auch über die Familien- und Eigentumsplanung hinaus. Daher war mir auch bei der Entscheidung, in die Selbstständigkeit zu gehen, bewusst, ich muss früh genug mit der Anlage von Rücklagen beginnen. Selbstverständlich zählt auch hier das gesunde Mittelmaß aus Sparen und Leben genießen.

Für die, die es interessiert: Ich zahle neben der gesetzlichen Rentenkasse unteranderem auch noch monatlich für die Rürup-Rente ein. Etwas, was ich jedem sehr empfehlen würde, wenn er sich selbstständig machen möchte. Aber auch für alle, die sich im Angestelltenverhältnis befinden. Legt auf jeden Fall monatlich zusätzlich etwas beiseite und verzichtet auf das extra Paar Schuhe oder sonstige (meist unnötige) Luxusgüter. Im hohen Alter werdet ihr euch dann garantiert selbst sehr dankbar sein.

Das 2. Geschäftsjahr – gibt es neue Ziele?

Ein Ziel ist es, genauso wie im ersten Jahr weiterzumachen. Mit dem Aspekt, dass das die Basis bildet, auf der ich noch weiter aufbauen kann. Ende des ersten Geschäftsjahres habe ich mir eine Drohne zugelegt, die ich nun vermehrt beruflich einsetzen möchte. Ich möchte weiter netzwerken und neue wirtschaftliche Kontakte knüpfen. Ich möchte anderen dabei helfen, sich visuell weiterzuentwickeln und nachhaltig glücklich zu werden. Alles weitere wird sich mit der Zeit finden. Ich bleibe mir und meiner Arbeit treu und freue mich riesig auf all das, was noch kommt.

Prost!

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